Fitness Tracker – Warum bald niemand mehr Schritte zählt

Die berühmten 10.000 Schritte als Leistungsmarke für einen aktiven und gesunden Lebensstil haben ausgedient. Jetzt geht es um aktive Minuten und der Zeit in der Bewegung gemacht wird. Doch ist dieser Ansatz wirklich besser?

Es waren schon die ersten Fitness Tracker, die das Tagesziel von 10.000 Schritte propagierten und rasch wurde daraus sowetwas wie der heilige Gral für Alle, die fitter und aktiver werden wollten. Doch wer hat die Zahl festgesetzt und gibt es dazu auch einen wissenschaftlichen Hintergrund?

Leider nein. Tatsächlich handelt es sich dabei um einen kleinen Marketingtrick der japanischen Firma Yasama, die damals 1964 ihren ersten Schrittzähler damit bewerben wollte. Die Botschaft dabei war sehr einfach – Mach täglich 10.000 Schritte und du wirst damit gesünder und länger leben. Aus einem einfachen Werbeslogan wurde im Laufe der Jahre eine Empfehlung in Sachen Gesundheit und Fitness, die sogar von der WHO übernommen wurde.

Nicht falsch verstehen – natürlich ist es gesund, wenn Du ausreichend Bewegung machst und viele Deiner Wege zu Fuß erledigst. Das hat bereits eine Studie der Harvard Medical School bewiesen, aus der hervorgeht, daß Menschen die mindestens 4400 Schritte täglich gehen, eine höhere Lebenserwartung haben als weniger aktive Studienteilnehmer.

Trotzdem zeigte sich in den letzten Jahren, daß die Vorgabe eines täglichen Schrittpensums nicht wirklich sinnvoll und zielführend ist.

Warum Schritte zählen nichts taugt

Es ist für viele Menschen vor allem ein Zeitproblem. Immerhin bedeuten 10.000 Schritte je nach Schrittlänge eine Distanz 7 – 9 Kilometern, für die man rund 100 – 180 Minuten benötigt. Dafür muss man sich Zeit nehmen. Das ist nicht so nebenbei erledigt, in dem man einige Wege im Laufe des Tages zu Fuß absolviert. Sondern da ist oft noch abends ein längerer Spaziergang notwendig um sein Tagesziel zu erreichen.

Doch selbst wenn man die Zeit dafür hat, sind 10.000 Schritte für Viele ein sehr ehrgeiziges Ziel, an dem so mancher bewegungswillige Couchpotatoe immer wieder scheitert. Andererseits stellt dieses Tagesziel für ohnehin sehr aktive und sportliche Menschen keine echte Herausforderung dar. Gleichgültig wie man es dreht und wendet, ein tägliches Schrittpensum eignet sich als dauerhafte Motivation zu mehr Bewegung nur bedingt.

Abgesehen davon, gibt es auch noch das Problem der fehlerhaften Zählung. Obwohl die Geräte in den letzten Jahren technisch enorm weiterentwickelt wurden, hat man es bis heute nicht geschafft, daß Fitness Tracker Schritte präzise zählen.

Aktive Minuten als  interessante Alternative?

Aufgrund dieser unbefriedigenden Situation haben die Hersteller nach interessanten Alternativen gesucht und sind dabei in der Wissenschaft fündig geworden.

Bereits 2017 hat die bis dahin größte Studie mit rund 130.000 Teilnehmern aus 17 Ländern bewiesen, daß bereits 150 Minuten Bewegung pro Woche das Sterblichkeitsrisiko insgesamt um 20% senkt und die Gefahr einer Herzerkankung um 14% verringert.

Wenn in dieser Studie von Bewegung gesprochen wird, dann sind damit moderate Aktivitäten gemeint. Selbst ein kurzer Spaziergang von 15 Minuten kann sich bereits positiv auf die Gesundheit auswirken.

Noch besser ist es natürlich, wenn das wöchentliche Bewegungspensum deutlich höher als die erwähnten 150 Minuten ist und man dabei auch regelmäßig Sport betreibt.

Auf Basis dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse haben die Hersteller von Fitness Tracker und Smartwatches zuletzt neue Funktionen entwickelt, mit denen die Zeit in der der Nutzer aktiv ist aufgezeichnet wird. Das Feature Aktive Zeit findet sich inzwischen unter jeweils anderem Namen auf vielen verschiedenen Modellen ( dazu später mehr )

Wie wird die Aktive Zeit gemessen

Alle derzeit am Markt angebotenen Fitness Tracker und Smartwatches sind mit einem Bewegungssensor und einem Pulssensor ausgestattet. Über diese Sensoren erkennt die Uhr, wann, wie lange und in welcher Intensität (Herzfrequenz) der Nutzer aktiv ist.

Wie bereits erwähnt, haben sich die Hersteller zur Messung der aktiven Zeit entsprechende Funktionen einfallen lassen, die zwar unterschiedliche Namen tragen aber im Wesentlichen die selben Leistungswerte protokollieren.

Polar – Schritte nur noch als Maßeinheit

Bildquelle Polar

Polar hat bei den aktuellen Modellen kein eigenes Features, das die aktive Zeit misst, sondern verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz. Um das optimale Tagesziel zu ermitteln, musst Du in der Polar App oder Webportal das passende Aktivitätsniveau konfigurieren.

Zu diesem Zweck werden Dir drei verschiedene Wahlmöglichkeiten, die sich sowohl in Dauer und Intensität unterscheiden aber auch Alter und Geschlecht berücksichtigen, angeboten. Für die meisten Nutzer wird die Variante 1 zutreffen. Nachdem Du das für Dich zutreffende Level eingestellt hast, zeichnet die Uhr sämtliche Aktivitäten auf, angefangen von leichten Arbeiten im Stehen bis hin zu intensiven Trainingseinheiten.

Damit Du über Deine Fortschritte beim Erreichen des Tagesziels immer aktuelle informiert bist, wird auf der Uhr rund um das Ziffernblatt ein Kreis eingeblendet der sich mit steigender Aktivität zunehmend füllt.

Zusätzlich werden alle Deine Aktvitäten in Schritte umgerechnet. Das bedeutet, daß zum Beispiel 1 Stunde leichte Hausarbeit rund 1000 Schritte bringt obwohl Du wahrscheinlich gar nicht so viele Schritte absolviert hast. So sind die angegebenen Schritte nur als eine Art Maßeinheit zu verstehen, um Dein tägliches Aktivitätspensum besser dazurstellen.

Garmin – Bleib in Bewegung mit den Intensitätsminuten

Bei diesem Features geht es darum, wöchtentlich mindestens 150 Intensitätsminuten zu sammeln, womit sich Garmin an die Empfehlungen des US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention oder die American Heart Association orientiert.

Damit Du überhaupt zu Intensitätsminuten kommst, muss Deine Aktivität mindenstens 10 Minuten andauern, wobei entweder Deine Schrittzahl oder Deine Herzfrequenz über bestimmten Schwellenwerten liegt. Ist Deine Aktivität, zum Beispiel Laufen, besonders intensiv und Du erreichst dabei hohe Pulsbereiche, werden Deine gesammelten Intensitätsminuten sogar verdoppelt.

Andere Aktivitäten wie Radfahren, Krafttraining oder Rudern solltest Du immer über das entsprechende Sportprofil aufzeichnen, damit auch dabei Intensitätsminuten entsprechend gewertet werden.

Fitbit – Starte mit den Aktivzonenminuten

Mit dem Fitbit Charge 4 hat der Hersteller seine neue Funktione – die Aktivzonenminuten – vorgestellt. Dabei wird ein ähnliches Prinzip wie bei Garmin verfolgt. Wieder geht es darum mindenstens 150 aktive Minute in der Woche zu sammeln.

Um solche Aktivminuten auf Deinem Konto gutzuschreiben, musst Du Aktivitäten in den Pulsbereichen Fettverbrennungszone, Cardiozone oder Höchstleistungszone absolvieren. In den beiden letztgenannten Bereichen werden Deine Aktivminuten automatisch verdoppelt.

Auch bei alltäglichen Aktivitäten kannst Du Aktivminuten sammeln, unter der Voraussetzung, daß diese mindestens 10 Minuten andauern und Du dabei einer der genannten Pulszonen erreichst.

Sollte das Wochenziel von 150 Minuten für Dich keine Herausforderung sein, kannst Du diese Vorgabe in der App nach eigenen Bedürfnissen abändern.

Amazfit – PAI heißt das neue Ziel

PAI steht für Personal Activity Intelligence und ist eine einfache und verständliche Metrik um eigene Aktivitäten besser verfolgen zu können. Auf Basis Deiner biometrischen Daten, der gemessenen Herfrequenz und Dauer der Aktivität werden PAI-Punkte vergeben. Ziel ist es, wöchentlich 100 Punkte zu erreichen.

Punkte sammelst Du durch einen entspannenden Abendspaziergang genauso wie durch eine harte Trainingsstunde im Fitness Studio. Jede Art von Aktivität zählt dabei.

Grundlage für das PAI-System ist die HUNT-Studie der der mit dem Nobelpreis ausgezeichneten medizinischen Fakultät der norwegischen Universität für Wissenschaft und Technologie, bei der Daten von über 45.000 Menschen über 25 Jahre untersucht wurden. Dabei konnte man beweisen, daß regelmäßiger Bewegung das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen um bis zu 25% gesenkt wird.

Aktuell wird das PAI-System bei allen Fitness Trackern und Smartwatches von Amazfit angewendet, wobei ich mir gut vorstellen kann, daß schon bald andere asiatische Hersteller nachziehen werden.

Fazit

Das Zählen von Schritten ist prinzipiell einfach umzusetzen und kann sich dazu eignen, Menschen zu mehr Bewegung zu motivieren. Jedoch zeigt die tägliche Praxis, daß sich die Schrittzählung nur bedingt dazu eignet, das eigene Aktivitätspensum zu messen, vor allem weil es sich dabei keine wissenschaftlich fundierte Messgröße handelt.

Die Aufzeichnung der aktiven Minuten, also jener Zeit in der man wirklich in Bewegung ist, macht jedoch viel mehr Sinn. Einerseits weil wirklich alle Aktivitäten gemessen werden, wie Haus- und Gartenarbeiten, Spaziergänge und sonstige Fußwege, aber auch moderate und intensive Trainingseinheiten. Andererseits weil auch nicht der zeitliche Druck besteht ein Tagesziel unbedingt erreichen zu müssen.

Meine Empfehlung an Dich ist, vergiss den Schrittzähler und konzentriere Dich auf die aktive Minuten. So bekommst Du zuverlässige und aussagekräftige Informationen dazu, wie viel Bewegung Du im Laufe einer Woche tatsächlich machst. Ich bin mir sicher, daß Du dabei noch Potenzial zur Steigerung findest und damit Deine Fitness und Gesundheit noch wesentlich verbessern kannst.

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