Studie: Skepsis bei Smartwatch Messungen ratsam

Smartwatches, Fitness Tracker und Sportuhren liegen voll im Trend und sind sehr beliebt. Eine groß angelegte Studie hat nun untersucht, wie genau die Wearables messen. Die Ergebnisse sind zum Teil ernüchternd, aber wenig überraschend.

Eine Smartwatch am Handgelenk zu tragen ist in inzwischen etwas völlig Normales und immer mehr Menschen tun es. Die kleinen, schlauen Computer messen permanent die wichtigsten Vitaldaten, zeigen wie gut man geschlafen hat, unterstützen beim Training und sind nützlicher Begleiter im Alltag.

Völlig zurecht wird aber immer wieder die Frage gestellt, wie genau sind diese Messungen eigentlich?

Und genau das wollten Cailbhe Doherty und Maximus Baldwin vom University College in Dublin auch wissen und haben dazu eine große Übersichtsstudie durchgeführt.

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine umfassende Meta-Analyse zeigt, daß Smartwatches und Fitness Tracker keine Präzisionstools sind.
  • Manche Parameter wie Puls, Herzfrequenzvariabilität oder VO2max werden mit einer soliden Genauigkeit gemessen. Andere Metriken wie Schlaf oder Kalorienverbrauch sind einfach nur unzuverlässig.
  • Messdaten von Wearables sollten grundsätzlich skeptisch betrachtet werden
  • Trotzdem können Smartwatches und Fitness Tracker durchaus hiflreiche Tools sein.

Im Rahmen dieser Arbeit hat man 904 Untersuchungen überprüft, wovon 24 die Studienkriterien erfüllten. Dabei wurden 310 verschiedene Geräte, die seit 2001 am Markt erhältlich sind an rund 400.000 Studienteilnehmer getestet.

Die Ergebnisse der Übersichtsstudie kann man als durchwachsen bezeichnen. Schauen wir uns die Informationen im Detail an.

Messgenauigkeit bei Herzfrequenz, Herzfrequenzvariabilität und Arrhytmien

Die so oft kritisierte optische Pulsmessung liefert deutlich genauere Messergebnisse, als im Allgemeinen gerne behauptet wird. So ergaben die Studien eine durchschnittliche Abweichung von rund 3% über alle Geräte hinweg.

Das deckt sich auch mit meinen Erfahrungen. In den letzten zwei bis drei Jahren hat sich die Genauigkeit der Pulsmessung am Handgelenkt deutlich verbessert. Selbst bei Aktivitäten mit schnell wechselnden Intensitäten, wie beispielsweise Intervall Training, machen fast alle Uhren (egal welcher Hersteller) einen insgesamt soliden Job.

In meinem Ratgeber zur optischen Pulsmessung findest Du Tipps zur Steigerung der Genauigkeit und bei welchen Sportarten Du beser einen Brustgurt tragen solltest.

Ebenso zuverlässig scheint auch die Messung der Herzfrequenzvariabilität zu sein. So kamen entsprechende Studien dabei zu dem Schluss, daß die HRV-Messung zumindest im Ruhezustand sehr präzise ist und ausagekräftige Informationen bereitstellt

Mein Kommentar: Ich halte die HRV Messung für eine der sinnvollsten und nützlichsten Messungen an einer Smartwatch. In diesem Artikel habe ich die HRV Messung von drei aktuellen Modellen miteinander verglichen. Die dabei aufgezeichneten Daten waren nicht nur ähnlich, sondern zeigten auch vergleichbare Trends an. Weitere Informationen zum Thema findest Du hier und hier

Und auch bei der Erkennung von Arrhytmien, also Herzrythmusstörungen, überzeugten die Smartwatches mit Genauigkeit. In den berücksichtigten Studien überprüfte man hauptsächlich Uhren von Apple und Samsung, doch auch Uhren von Huawei und Huami wurden getestet.

VO2max Messung mit Schwächen, aber brauchbar

Um die Messgenauigkeit der VO2max zu bestimmen wurden insgesamt 14 Studien überprüft. Dabei stellte sich heraus, daß Wearables dazu neigen

  • die Vo2max unter Ruhebedingungen deutlich zu überschätzen
  • im Rahmen eines Belastungstests jedoch wesentlich genauere Daten bereitstellen

Dieses Ergebnis hat mich nur wenig überrascht. Es ist eine bereits lang bekannte Tatsache, daß nur eine im Labor durchgeführte Spiroergometrie wirklich präzise Ergebnisse erbringt. Jedoch sind die VO2max Daten von Smartwatches genau genug, um sich zumindest eine gute Vorstellung über den eigenen Fitness Level und etwaigen Fortschritten zu bekommen. In meinem ausführlichen VO2max Ratgeber findest Du übrigens auch einen Rechner

So genau messen Wearables wirklich (Bildquelle © Springer Link)

Schrittzähler – ungefähr richtig

Selbst die älteste Funktion an Wearables, der Schrittzähler, wurde in vielen Studien genau getestet. Die Meta-Analyse fasste die Erkenntnisse der Untersuchungen zusammen und dabei kam raus, daß Smartwatches und Fitness Tracker Schritte mit einer Abweichung von -9 bis +12 % zählen.

Mein Kommentar: Der Schrittzähler an Wearables war immer schon ungenau. Es ist offenbar eine nicht bewältigbare Herausforderungen, echte Schritte von Zähne putzen, in die Hände klatschen oder Wäsche zusammenlegen zu unterscheiden. Und da der Fokus der Hersteller inzwischen bei ganz anderen Features liegt, sollte mit einer Steigerung der Genauigkeit auch in naher Zukunft nicht gerechnet werden.

Kalorienverbrauch – es ist eben nur ein Schätzung

Auch der Kalorienrechner ist ein Tool, das sich schon ewig an Fitness Tracker und Smartwatches findet. Und genauso lang gibt es die Diskussion über dessen Genauigkeit.

Die Meta Analyse widmet sich auch diesem Thema und kommt dabei zu einem eindeutigen aber wenig überraschenden Ergebniss. Wearables schätzen den Kalorienverbrauch und das nicht besonders gut. Die Abweichung der Messdaten liegt zwischen -21,27% bis +14,76%.

In meinen Ratgeber erkläre ich genau wie der Kalorienverbrauch berechnet wird und von welchen Faktoren der Energieaufwand abhängig ist. Kennt man diesen Hintergrund, weiß man, warum Wearables hier nur eine sehr grobe Schätzung anbieten können.

Schlafüberwachung – ist einfach nur Marketing

Die Übersichtsstudie hat sich natürlich auch die Genauigkeit der Schlafüberwachung angesehen und dabei ganze 95 Untersuchungen überprüft.

Im Vergleich zu Polysomnographie, der wissenschaftlichen Schlafüberwachung, versagt das Sleep Tracking an Wearables auf ganzer Linie.

Selbst einfache Metriken wie die Schlafdauer werden mit einer durchschnittlichen Fehlerquote von 10% aufgezeichnet. Bei der Schlaflatenz – also den Zeitraum vom Wachsein bis zum vollständigen Einschlafen betrugen die Abweichungen bis zu 180%.

In meinem ausführlichen Ratgeber zur Schlafüberwachung vergleiche ich die Schlafdaten von insgesamt drei aktuellen Smartwatches, die nicht unterschiedlicher sein können. Außerdem zeigen zahlreiche Studienergebnisse, daß Uhren nur mit einer „Genauigkeit“ von rund 70% die unterschiedlichen Schlafphasen erkennen können.

So sehr sich die Hersteller auch bemühen, die Schlafüberwachung als wertvolles und nützliches Tool darzustellen, zeigen wissenschaftliche Untersuchungen und auch meine persönliche Erfahrungen, daß es einfach Schrott ist. Das Schlaf Tracking funktioniert einfach nicht und liefert Daten nach dem Zufallsprinzip.

Meine Gedanken dazu und was bedeutet das für Dich

Ich muss zugeben, daß mich die Ergebnisse dieser Übersichtsarbeit ein wenig mit Genugtuung erfüllen. Schon seit Jahren weise ich immer wieder darauf hin, daß Smartwatches und Fitness Tracker keine superpräzisen Werkzeuge sind. Weshalb Messdaten immer mit einer gesunden Portion Skepsis betrachtet werden sollten.

Wearables können dabei helfen das aktuelle Wohlbefinden, den momentanen Fitness Level oder den Nutzen einer Trainingseinheit besser einzuschätzen zu können. Die bereitgestellten Informationen und Messungen stellen eine Orientierung dar und zeigen im besten Fall Trends und Entwicklungen.

Jedoch warne ich davor, sich ausschließlich auf die Uhren zu verlassen. Bist Du gesund, dann achte in erster Linie auf Dein Körpergefühl und prüfe ob Deine subjektiven Eindrücke im Einklang mit den bereitgestellten Daten sind.

Hast Du aber mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen, dann gilt ausschließlich nur was Dein Arzt sagt und nicht irgendeine Smartwatch oder smarter Ring.

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