Die Leistungsmessung ist nun auch bei den Hobbyläufern angekommen. Was es damit auf sich hat, welche Vorteile diese Metrik bietet und was Du sonst noch dazu wissen solltest, erfährst Du in diesem Ratgeber.
Mit der Herzfrequenzmessung, Pace, TRIMP und gefühlter Anstrengung stehen dem ambitionierten Hobbyläufer mehrere Metriken zur Verfügung um eine einzelne Trainingseinheit zu beurteilen oder generell ein Training zu planen und zu steuern.
Doch seit einiger Zeit gewinnt mit der Leistungsmessung ein weiterer Parameter immer mehr an Bedeutung.
Die Leistungsmessung ist im Radsport seit mindestens zwei Jahrzehnten etabliert. Ähnliches gilt für den Triathlon. Nur im Laufsport gilt die Trainingssteuerung speziell nach Herzfrequenz oder Pace noch immer als Goldstandard, was bisher wahrscheinlich daran lag, daß es keine geeigneten Geräte gab um die Leistung beim Laufen messen zu können.
Das hat sich in der Zwischenzeit erfreulicherweise geändert. Neben spezialisierten Geräten, wie dem Stryd Leistungsmesser, gibt es auch Laufsensoren, Brustgurte und seit Kurzem auch Sportuhren, die direkt am Handgelenk die Leistungsmessung durchführen. Doch dazu später mehr.
Zuerst möche ich das Wie und Warum zum Thema näher erläutern.
Wozu Leistungsmessung – wir haben doch schon genug Daten!
Wie schon eingangs erwähnt haben wir aktuell mit Herzfrequenz, Pace, TRIMP und gefühlte Anstrengung mehrere Parameter, die es uns ermöglichen, sowohl einzelne Trainingseinheiten wie auch die Trainingsbelastung über längere Zeiträume zu beurteilen. Anhand dieser Daten wissen wir, wie intensiv ein Training war und ob wir im Laufe der Zeit Fortschritte machen.
Doch wie brauchbar sind diese Metriken?
Herzfrequenz
Es ist ein allgemein bekannte Tatsache, daß die Herzfrequenz von vielen Faktoren beeinflusst wird. Dazu zählen beispielsweise Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Schlaf und Erholung, Stress oder auch die Ernährung.
Doch selbst wenn man als Hobbyläufer über diese Einflüsse hinwegsieht, kann man aber nicht ignorieren, daß die Herzfrequenz auf eine Belastung einerseits immer etwas verzögert reagiert, andererseits bei selbst gleichbleibender aber lang anhaltender Intensität langsam aber stetig ansteigt.
So weiß jeder versierte Läufer, daß man beispielsweise bei einem Fahrtspiel schon mal mehrere hundert Meter deutlich schneller laufen muss, um den Puls in den gewünschte Zone zu pushen. Ebenso wird es bei langen Dauerläufen, die man als Grundlagentraining im unteren Pulsbereich absolvieren möchte, auf den letzten Kilometern der Strecke immer schwieriger die niedrige Herzfrequenz zu halten.
Pace
Als Alternative zur Herzfrequenz orientieren sich viele Hobbyläufer in ihren Trainings an der Pace. So werden dann beispielsweise lange Dauerläufe in einer 6er Pace absolviert, Tempoläufe natürlich wesentlich schneller und auch beim Intervalltraining ist das Tempo eine praktikable Metrik.
Das funktioniert jedoch nur, wenn die Rahmenbedingungen passen. Ist die Strecke hügelig mit vielen An- und Abstiegen wird es schwierig die geplante Pace über das gesamte Training zu halten. Ebenso bei Wind. Wer schon einmal bei kräftigen Gegenwind gelaufen ist, weiß wovon ich spreche.
TRIMP
Der Trainingsimpuls wird wiederum auf Basis der HFmax, der Ruhe-Herzfrequenz und der Belastungs-Herzfrequenz berechnet. Wie oben beschrieben, spiegelt der Puls aufgrund seiner trägen Reaktion nur eingeschränkt die tatsächliche Belastung wider. Mal abgesehen davon, daß die wenigsten Hobbyläufer wirklich genau ihre maximale Herzfrequenz kennen.
Gefühlte Erschöpfung
Bleibt als letzte Möglichkeit sich auf sein Körpergefühl zu verlassen. Das ist aber natürlich sehr subjektiv und daher in zuverlässigen Daten nicht quantifizierbar.
Das bedeutet also, daß sämtliche bisher verwendeten Parameter ihre Schwächen haben. Und das kann zum Training in den falschen Intensitäten führen. Was einerseits ein Übertraining und damit erhöhte Verletzungsgefahr, andererseits eine Unterforderung und damit nachlassende Fitness und Leistungsfähigkeit zur Folge haben kann.
Es muss also eine neue Metrik her und da kommt nun die Messung der Leistung ins Spiel.
Leistungsmessung – Eine einfache Erklärung
An dieser Stelle könnte ich nun eine Reihe verschiedener Formel auflisten umd Dir ganz genau zu zeigen was Leistung tatsächlich ist. Doch halten wir es einfach.
Leistung ist die eingesetzte Kraft mit der Du Dich beim Laufen vom Boden abdrückst und diese wird mit der Geschwindigkeit multipliziert. Die dabei erzielte Leistung wird in Watt gemessen und angegeben.
Der Vorteil der Leistungsmessung ist deren Objektivität, weil nur die eingesetzte Kraft und die erzielte Geschwindigkeit als einzige Faktoren berücksichtigt werden und so die tatsächliche Trainingsbelastung ermittelt wird.
Die von uns Hobbyläufern bisher hauptsächlich verwendeten Parameter, nämlich Herzfrequenz und Pace, unterliegen aber wie schon oben beschrieben verschiedenen Einflüssen, weshalb die daraus abgeleitete Trainingsintensität falsche Rückschlüsse begünstigt.
Leistungsmessung beim Berglauf oder Intervall
Zur besseren Veranschaulichung möchte ich Dir mit nachfolgender Grafik zeigen, wie unterschiedlich die Metriken bei einem Berglauf aussehen.
In der Ebene liefern alle drei Metriken normale Daten, wie wir es gewohnt sind. Doch mit Beginn des Anstieges unterscheiden sich die Messwerte deutlich.
Leistung: Unser Hobbyläufer reduziert zwar das Tempo deutlich, trotzdem steigt der Kraftaufwand, weshalb die Leistung bis zum höchsten Punkt unverändert bleib. Läuft er bergab, erhöht sich das Tempo, der Kraftaufwand sinkt im Verhältnis noch stärker, weshalb auch die Leistung deutlich geringer ist. Sobald der Läufer sich wieder in der Ebene befindet erreicht er fast unmittelbar wieder das Leistungsniveau wie vor dem Anstieg.
Pace: Mit Beginn des Anstieges sinkt die Pace sofort, bleibt bis zum höchsten Punkt auf einem niedrigen Wert, um dann im Bergab-Lauf deutlich anzusteigen. Im ebenen Streckenteil pendelt sich die Pace dann wieder ein.
Herzfrequenz: Bis fast zur Mitte des Anstieges bleibt der Puls fast unverändert, was dessen verzögerte Reaktion auf Belastung bestätigt. Dann jedoch steigt die Herzfrequenz deutlich an und bleibt bis fast zum Ende des Abstieges auf hohen Niveau, fällt dann ebenso deutlich wieder ab, um dann in der Ebene wieder anzusteigen.
Ein weiteres Beispiel möchte Dir anhand eines typischen Intervall-Trainings zeigen
Ein typisches Intervall-Training beginnt üblicherweise mit einer Warm Up Phase, dann folgt der erste „schnelle“ Abschnitt und zum Abschluss eine Erholungsphase. In der Regel wird der Intervall von Tempo und Erholungsphasen mehrmals wiederholt und mit einem lockeren Auslaufen abgeschlossen.
In obiger Grafik befindet sich unser Läufer bereits im ersten Tempoabschnitt. Im Warm Up zeigte keine der drei Metriken irgendwelche Auffälligkeiten. Doch sobald der Läufer die Geschwindigkeit deutlich erhöht, steigen naturgemäß die Daten für Leistung und Pace steil an und pendeln sich auf hohem Niveau ein. Mit Ende der Belastungsphase fallen die Metriken rapide auf die ursprünglichen Werte aus der Aufwärmphase wieder runter.
Die Messdaten zur Herzfrequenz zeigen jedoch ein ganz anderes Bild. Auf das höhere Tempo reagiert der Puls im Vergleich zu den beiden anderen Metriken deutlich träger und steigt wesentlich langsamer an. Das gilt auch, wenn das Tempo wieder reduziert wird. Es dauert bis weit in die Erholungsphase bis die Herzfrequenz auf einem normalen Niveau ist.
Als Ergänzung zum Thema möchte ich Dir noch ein Beispiel aus meiner Trainingsroutine zeigen
Dabei handelt es sich wieder um ein Intervall Training, das ich zugegeben nicht in letzter Konsequenz durchgezogen habe, weil ich von einem intensiven Workout am Vortag noch recht müde war.
Zum Einsatz kam die Polar Vantage V2 mit optischer Pulsmessung und Leistungsmessung am Handgelenk. Und der neue Garmin Forerunner 255 der mit der Garmin HRM Pro verbunden war.
Besonders beim zweiten Intervall (siehe Markierung) sind die Unterschiede zwischen Herzfrequenz und Leistung deutlich zu erkennen.
Bei Polar werden die drei Metriken vertikal sortiert (von oben nach unten Herzfrequenz, Pace, Leistung) angezeigt. Und es ist sehr schön zu erkennen, daß Leistung und Pace in sehr ähnlicher Weise steil ansteigen und mit Ende der Belastung ebenso steil abfallen. Die Herzfrequenz reagiert auf die gesamte Tempophase wesentlich langsamer
Bei Garmin können die drei Metriken sogar übereinander gelegt werden, wobei die graue Schattierung die Herzfrequenz darstellt. Auch hier ist im zweiten Intervall die Trägheit des Pulses deutlich zu erkennen.
Dazu noch ein paar Daten
Polar | Garmin | |
Beginn der Tempo-Phase | Leistung 494 Watt/ HF 139 Bpm | Leistung 483 Watt/ HF 142 Bpm |
Ende der Tempo-Phase | Leistung 296 Watt/ HF 158 Bpm | Leistung 307 Watt/ HF 155 Bpm |
Es dauert in meinem Fall rund 30 – 45 Sekunden bis die HF nach Ende des Intervalls wieder runter ist auf circa 140 Bpm.
Ich denke, anhand der Beispiele habe ich ausführlich dargestellt, daß Herzfrequenz und Pace nicht immer die geeigneten Metriken sind und nur die Laufleistung wirklich objektive Daten liefert.
Komplettes Training auf Leistung und Watt umstellen?
Da ich selbst kein Lauftrainer bin und mir nicht anmaße hier Tipps zum richtigen Training zu geben, habe ich recherchiert was Experten zu diesem Thema sagen.
Und so ziemlich alle bekannten Lauftrainer sind sich dahingehend einig, daß die Leistungsmessung beim Laufen sicher nicht der heilige Gral ist und daher auch nich in allen Trainingssituationen die optimale Metrik darstellt.
Beispielsweise sagt Michael Arend, einer der Experten in Sachen Training nach Watt, in einem Interview mit Runner´s World
Die Lösung besteht darin, Leistungs- und Herzfrequenzdaten zu kombinieren“, so Arend. „Das ist der Goldstandard im Training.“ Sein Tipp: Langsame, erholsame oder lange Läufe sollte man nach Herzfrequenz laufen, weil es hierbei darum geht, sich nicht zu überfordern. Das Training nach Watt ist vor allem sinnvoll, wenn man etwa Intervalltraining, Tempodauerläufe oder Einheiten am Berg absolviert, weil man hier seinen Output erfahren möchte.
Um diese Empfehlung in der Praxis auch wirklich umsetzen zu können, benötigst Du zuerst einmal eine ordentliche Datenbasis.
- Wenn Du nämlich nicht weißt, mit wieviel Watt Du beispielsweise verschiedene Intervalltrainings oder Tempoläufe absolvierst, hast Du auch keine entsprechenden Richtwerte um in weiterer Folge Dein Training nach Laufleistung zu steuern.
- Das heißt im ersten Schritt benötigst Du ein entsprechendes Messinstrument um Deine Laufleistung überhaupt zu ermitteln. Welche Geräte Dir dafür zu Verfügung stehen, zeige ich Dir in diesem Artikel.
- Als Nächstes absolvierst du in gewohnter Weise Dein übliches Training. Nur mit dem Unterschied, daß Du mit einer Uhr oder Sensor während eines Intervalltrainings, einem Tempo- oder Berglauf auch Deine Laufleistung aufzeichnest.
- Da die Tagesform immer unterschiedlich ist, empfehle ich dir, die verschiedenen Trainingsformen mehrmals durchzuführen, um hier wirklich über ausreichende und aussagekräftige Daten zu verfügen.
- Nach ein paar Wochen solltest Du über genug Datenmaterial verfügen um Deine Leistungsbereiche bei den verschiedenen Trainings zu kennen. Auf Basis dieser Messwerte hast Du dann die Möglichkeit zukünftige Trainings zu planen.
Wichtig dabei ist, die ermittelten Wattwerte in Bezug zu den verschiedenen Pulsbereichen und Pacezonen zu setzen, weil nur dann ein wirklich strukturiertes Training möglich ist.
So solltest Du beispielsweise wissen
- wie hoch Deine Wattleistung beim Training an der anaeroben Schwelle ist
- wie Deine Laufleistung bei einer bestimmten Pace (Tempoläufe) aussieht
- wie viele Watt du auf die Straße bringen musst um in anaeroben Bereich zu laufen
- Bei welcher Wattleistung Du ein bestimmte Distanz in einer bestimmten Zeit läufst (Wettkampf)
Das Alles kann ein durchaus aufwändiger Prozess sein, versetzt Dich aber in die Lage strukturiert und zielgerichtet Dein Training zu planen und auszuwerten um so schrittweise fitter und leistungsfähiger zu werden.
Wenn Du Dich intensiver mit dem Thema Leistungsmessung auseinander setzen möchtest, kann ich dir nur das Buch „Run with Power“ von Jim Vance empfehlen, der auf diesem Gebiet als der Experte schlechthin gilt.
- Vance, Jim (Autor)
Alternativ kann ich Dir auch untenstehendes Video von Michael Arend empfehlen, in dem alle Grundlagen zum Messung der Laufleistung sehr gut erklärt werden. Alternativ dazu gibt es auch einen tolle Artikelserie von ihm, in der besonders auf den Stryd Leistungsmesser eingeht.
Fazit
Mit der Wattmessung steht eine Metrik zur Verfügung, die es ermöglicht Trainingsleistungen wirklich objektiv zu beurteilen. Im Gegensatz zu anderen Parametern wird die Laufleistung nicht durch verschiedenen äußere oder körpereigene Faktoren beeinflusst, sondern es wird ausschließlich nur Deine Arbeitsleistung während eines Trainings gemessen.
Aus den gewonnen Messdaten lassen sich aussagekräftige Informationen zu Trainingsbelastung und Trainingszustand ableiten.
Gleichzeitig muss aber an dieser Stelle auch erwähnt werden, daß die richtige Interpretation der Messwerte entsprechende Erfahrung und Einarbeitung benötigt um hier wirklich Vorteile für das Training herauszuholen.
Die Wattmessung ist eine hervorragende Alternative zu den bisher üblichen Metriken, die völlig neue Einsichten ermöglicht und neue Wege der Trainingsplanung und Trainingssteuerung bietet.
Letzte Aktualisierung am 2024-11-08 / Affiliate Links / Bilder von der Amazon Product Advertising API