Schon bald die erste Smartwatch mit Blutzuckermessung?

Die Blutdruckmessung mittels Smartwatch ist inzwischen Realität und daher fragen sich Viele, wann wird es endlich möglich sein, auch den Blutzucker über ein Wearable einfach und bequem messen zu können. Hier eine Übersicht zum aktuellen Entwicklungsstand.

Moderne Smartwatches sind schon lange nicht mehr einfache Schrittzähler oder nette Spielereien für Techniknerds, sondern haben sich in den letzten Jahren zu echten Gesundheitstools entwickelt.

So gehört die Pulsmessung am Handgelenk inzwischen schon zur Standardausrüstung ebenso wie eine ausgefeilte Überwachung der Nachtruhe. Weitere Funktionen wie die Messung der Blutsauerstoffsättigung (SpO2), Atemfrequenz, Herzfrequenzvariabilität (HRV) oder die Ermittlung des eigenen Fitness Levels via VO2max sind auf vielen Modellen ebenfalls zu finden.

Selbst ein EKG oder die Messung des Blutdrucks ist auf manchen Uhren bereits möglich und daher überrascht es nicht, wenn immer öfter gefragt wird, wann werden Smartwatches auch den Blutzucker messen können.

Nicht nur, daß diese Frage völlig berechtigt ist, gibt es seitens der Big Player in der Branche auch große Anstrengungen diese so ersehnte Messfunktion schon bald anbieten zu können. Immerhin würde sich mit knapp über 460 Millionen Diabetiker weltweit ein riesiger Markt auftun.

Man kann also davon ausgehen, daß die Hersteller mit entsprechend großer Motivation an einer praxistauglichen und vor allem nicht invasiven Methode zur Messung des Blutzuckerspiegels arbeiten.

Smartwatch mit Blutzuckermessung – Aktuelle Entwicklungen

Beurer K`Watch Prototyp für eine Smartwatch mit Blutzuckermessung

Schauen wir uns zu Beginn die aktuell laufenden Entwicklungsprojekte zur Blutzuckermessung für Wearables an.

Bereits Anfang 2020 habe ich von der Beurer K´Watch berichtet. Diese Uhr soll laut Angaben des Herstellers, den Blutzucker mittels Mikronadeln messen können. Konkret bestimmt dabei ein Sensor die chemische Zusammensetzung der interstitiellen Flüssigkeit, die sich zwischen den Zellen in den Gewebsspalten befindet, was auch eine Messung des Glukosegehalts zulässt.

Obwohl diese Messmehtode bei Prototypen zu funktionieren scheint, ist man von einer Serienproduktion offenbar noch weit entfernt. Seit einer Pressemeldung im Vorjahr war zu der Uhr, die in Kooperation mit dem Startup PKvitality entwickelt wird, von Beurer nichts mehr zu hören.


Ein weiteres Startup, das sich mit der Blutzuckermessung beschäftigt ist Movano. Das 2018 gegründete Unternehmen soll eine Methode entwickelt haben, das eine Messung jederzeit und in Echtzeit mittels des integrierten Pulssensors ermöglicht. Michael Leabman, Gründer und CEO von Movano, erklärt dazu, daß Glukose spezielle elektrische und physikalische Eigenschaften besitzt, die man sichtbar machen und damit auch messen kann.

Zur besseren Veranschaulichung zieht Leabman folgenden Vergleich: Öl ist auf Wasser deshalb sichtbar, weil beide Flüssigkeiten das Licht unterschiedlich brechen und reflektieren. Ähnlich verhält es sich mit Glukosemolekülen in Blutgefäßen. Die unterschiedliche Absorption der Lichtstrahlen kann gemessen werden, was in mehreren Studien bereits nachgewiesen werden konnte.

Ein ähnliche Methode wird auch bei der Messung der Blutsauerstoffsättigung angewendet, die als SpO2-Messung bei vielen Smartwatches bereits bekannt ist.

Movano möchte bereits bis Ende 2021 einen funktionierenden Prototyp herstellen und dann die Zulassung bei der amerikanischen Behörde für Lebensmittel und Arzneimittel FDA beantragen.


Auch Samsung ist auf diesem Gebiet sehr aktiv und arbeitet diesbezüglich mit dem Massachusetts Institute of Technology MIT zusammen, wo man sich der praktischen Anwendung der sogenannten Raman-Spektroskopie widmet, die zu den aussichtsreichsten Methoden der nicht invasiven Blutzuckermessung zählt.

Dabei wird Gewebe mit Nahinfrarotlicht bestrahlt und man kann anhand der Absorption elektromagnetischer Strahlung Rückschlüsse auf die Konzentration von Inhaltsstoffen wie Glukose ziehen. Bisher kämpfte man aber mit dem Problem, daß das Signal von Glukosemolekülen zu schwach war beziehungsweise von anderen Signalen überlagert wurde, weshalb eine genaue Messung nicht möglich war.

Nun haben es aber die MIT-Ingeneure geschafft die Methode soweit zu optimieren, daß erstmalig eine präzise Messung der Glukosewerte transdermal möglich war.

Galaxy Watch 4 mit Blutdruckmessung aber ohne Blutzuckermessung

Auch das Unternehmen Rockley Photonics, das sich bisher einen Namen als Zulieferer für die Apple Watch machte, setzt auf die Raman-Spektroskopie und scheint dabei wesentliche Fortschritte erzielt zu haben. So stellte man im Sommer diesen Jahres einen völlig neuen biometrischen Sensor vor, der neben Puls, Körpertemperatur, Blutdruck, Blut-Alkoholspiegel und Hydrationslevel auch den Blutzuckergehalt messen kann.

Hier scheint ebenfalls eine ähnliche Messmethode wie bei SpO2-Messung zur Anwendung zu kommen, wobei man offenbar in der Lage ist, eine ganze Palette an interessanten Messwerten zu ermitteln.


Etwas überraschend, aber sehr erfreulich, tauchten zuletzt sehr konkrete Gerüchte auf, daß sich auch Polar diesem Thema widmet. Wie gadgetsandwearables berichtet, arbeitet offenbar die Universität Oulu und Polar Electro Oy an einem gemeinsamen Projekt, in dem untersucht wird, ob mittels elektroplasmonischen Chip die Schweißbildung überwacht werden kann.

Der menschliche Schweiß liefert eine lange Liste an interessanten Informationen beispielsweise zu Stress, Muskelkrämpfe und auch zum Butzuckergehalt. Obwohl die Untersuchung sich noch im Anfangsstadium befindet ist man trotzdem sehr zuversichtlich eine entsprechende Messmethode entwickeln zu können.

Wie genau werden Smartwatches den Blutzucker messen?

Selbstverständlich kann diese Frage aktuell noch nicht beantwortet werden, jedoch ist die Messung des Glukosegehaltes ein schwieriges Unterfangen. Schon alleine deshalb, weil selbst bei gesunden Menschen die Blutzuckerwerte im Laufe des Tages stark schwanken. Abgesehen davon wird der Blutzuckergehalt von verschiedenen Faktoren wie Ernährung, Aktivitätslevel, Insulinproduktion und Stress beeinflusst

Blutzucker-Normalwerte nüchtern / vor den Mahlzeiten

  • bei gesunden Menschen: 60–100 mg/dl bzw. 3,3–5,5 mmol/l 
  • bei Verdacht auf Diabetes: 100–110 mg/dl bzw. 5,5–6,1 mmol/l 
  • bei Diagnose Diabetes mellitus: über 110 mg/dl oder 6,1 mmol/l 

Blutzucker-Normalwerte nach dem Essen (ca. 2 Stunden nach den Mahlzeiten)

  • bei gesunden Menschen: 90–140 mg/dl bzw. 5,0–7,8 mmol/l
  • bei Verdacht auf Diabetes: 140–200 mg/dl bzw. 7,8–11,1 mmol/l
  • bei Diagnose Diabetes mellitus: über 200 mg/dl oder 11,1 mmol/l

Quelle: diabeltes.help

Aktuell gibt es verschiedene Messgeräte, die mittels eines Sensors den Glukosewert im Unterhautfettgewebe bestimmen. Dabei spricht man vom sogenannten CGM – System (Continous Glucose Monitoring/ kontinuierlichen Glukosemessung).

Liest man sich im Netz dazugehörige Rezensionen und Erfahrungsberichte durch, scheint es selbst bei diesen spezialisierten Geräten immer wieder zu Fehlmessungen zu kommen.

Doch müssen sich diese Abweichungen in einem bestimmten Rahmen bewegen. Das ist in der ISO Norm 15197, die am 30.Juni 2017 überarbeitet wurde geregelt und damit wurden neue Qualitätsstandards für die Messgenauigkeit von Blutzuckermessystemen in Kraft setzt.

Die neue Regelung sieht nun eine Abweichung von maximal ± 15 % bei Glukosekonzentrationen von über 100 mg/dl (5,6 mmol/l) sowie von bis zu ± 15 mg/dl (0,8 mmol/l) bei Glukosekonzentrationen unter 100 mg/dl (5,6 mmol/l) vor. Diese Vorgabe muss bei jeweils 95 % aller Messergebnisse erfüllt sein.

In diesem Zusammenhang ist wichtig zu wissen, daß Smartwatches, die Funktionen wie EKG oder Blutdruckmessung anbieten, eine CE-Kennzeichnung gemäß Medizinprodukterichtlinie 93/42/EWG vorweisen müssen und damit als Medizinprodukt gelten.

Diese Kennzeichnung wird auch für die Blutzuckermessung notwendig sein, womit die betreffende Smartwatch wiederum als ein Medizinprodukt gilt und somit die oben genannte ISO Norm einzuhalten ist.

Oder anders und einfacher formuliert:

Smartwatches werden den Blutzucker höchstwahrscheinlich ähnlich genau messen wie herkömmliche Messgeräte.

Wann werden die ersten Modelle am Markt sein?

Wie die vorgestellten Projekte zeigen, hat die Entwicklung einer nicht invasiven Blutzuckermessung schon recht konkrete Ergebnisse gebracht und trotzdem wird es sicher noch einige Zeit dauern, bis wir die erste Smartwatch mit einer entsprechenden Funktion kennen lernen werden.

Branchenintern wurde zwar in jüngster Vergangenheit bereits gemunkelt, daß die neue Samsung Galaxy Watch 4 oder die Apple Watch 7 mit so einem Feature ausgestattet sein könnte, was sich zwischenzeitlich jedoch nicht bewahrheitet hat.

Mich würde es aber nicht überraschen, wenn schon im Laufe des nächsten Jahres die erste Modelle am Markt sind. Realistischer ist jedoch ein Zeitrahmen von rund drei Jahren.

Interessant wird sein zu beobachten, in welcher Weise Smartwatches in Zukunft weiterentwickelt werden. Aktuelle Modelle bieten bereits Blutdruckmessung, EKG und Körperfettmessung. Etablierte Features wie Schlafüberwachung, SpO2 Messung, HRV-Messung oder Atemfrequenz werden permanent optimiert und damit immer aussagekräftiger.

Manche der oben vorgestellten Messmethoden können auch für die Messung des Flüssigkeitshaushalts, Blutalkohol oder Cortisolgehalts verwendet werden.

Ergänzt werden diese Gesundheitsfunktionen noch durch eine ganze Palette an Sport- und Fitness Features, die von der einfachen Aufzeichnung eines Workouts über komplette Trainingsprogramme bis hin zur professionellen Trainingsanalyse reichen.

Gut vorstellbar, daß Smartwatches in Zukunft auf Wunsch direkt mit dem Arzt des Vertrauens vernetzt sind und monatlich Gesundheitsberichte automatisiert übersenden, oder daß Krankenkassen sich bei den Anschaffungskosten beteiligen.

Es kommen interessante Zeiten auf uns zu…