Warum Smartwatches für die Schlafüberwachung nichts taugen

Bei Smartwatches und Fitness Trackern gehört die Schlafanalyse zu den beliebtesten und meistgenutzten Features. Aber wie zuverlässig ist die Schlafüberwachung überhaupt? Und wie wird Schlaf eigentlich gemessen. Antworten auf diese Fragen findest Du in diesem ausführlichen Ratgeber.

Schlaf ist genauso selbstverständlich und wichtig wie Essen oder Sex. Und trotzdem kann richtig schlafen ungemein kompliziert sein. Viele Menschen leiden unter Schlafproblemen, wachen morgens oft völlig gerädert auf und finden nie die notwendige Erholung.

Daher überrascht es nicht, daß Smartwatches oder Fitness Tracker gerne dazu verwendet werden, den Schlaf aufzuzeichnen und zu messen, umso etwaige Gründe für eine gestörte Nachtruhe oder schlechten Schlaf herauszufinden.

Doch eignen sich die Uhren überhaupt dafür. Wie genau messen Smartwatches den Schlaf und kann man den Messdaten vertrauen. Um darauf Antworten zu finden müssen wir zuerst noch ein paar andere Fragen klären.

Warum wir schlafen

Ein erholsamer Schlaf ist wichtig und trägt entscheidend zu unserem Wohlbefinden bei. Es gilt als wissenschaftlich belegte Tatsache, daß sich zu wenig oder schlechter Schlaf auf Dauer negativ auf die Gesundheit auswirkt. Immerhin nützt der Körper und das Gehirn die Nachtruhe zur

  • Regeneration und Erholung
  • Verarbeitung neuer Informationen und Eindrücke
  • Stärkung des Immunsystems
  • Entwicklung und Erhalt von Muskeln und Knochensubstanz
  • Abbau diverser Stoffwechselprodukte wie z. B. Fett oder Zucker

Schlafen wir zu wenig oder einfach schlecht, bekommt der Körper nicht genug Gelegenheit um diese Instandhaltungsmaßnahmen ausreichend durchzuführen, was teilweise schwerwiegende Konsequenzen haben kann. Schlafmangel zeigt sich durch

  • Reizbarkeit und Stimmungsschwankungen
  • Konzentrations- und Gedächtnisprobleme
  • Aufmerksamkeitsverlust und verlangsamtes Reaktionsvermögen
  • Antriebslosigkeit

Hält der Schlafmangel über längere Zeit an, kann das zu verschiedenen Erkrankungen und Beschwerden führen, wie z.B.

  • Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck
  • Diabetes
  • Gewichtszunahme
  • Erhöhte Infektanfälligkeit
  • Vorzeitige Alterungsprozesse im Körper

Schlafende Faimilie mit Vater, Mutter und Kleinkind

Was macht einen guten Schlaf aus – es sind nur 4 Faktoren

Im Rahmen der National Sleep Foundation stellten sich Wissenschafter die Frage, wie sich ein guter und erholsamer Schlaf eigentlich definiert.

Um das herauszufinden, haben die Forscher insgesamt 277 verschiedenen Studien analysiert und dabei vier wesentliche Faktoren gefunden, die eine hohe Schlafqualität begünstigen.

  • Schlaflatenz – Das ist das Maß dafür, wie lange es dauert bis Du eingeschlafen bist. Wenn Du nach dem Zubettgehen innerhalb von 30 Minuten einschläfst, spricht das für eine gute Schlafqualität.
  • Anzahl der Wachphasen – Dabei geht es um Phasen in Deiner Nachtruhe in denen Du länger als 5 MInuten wach bist. Wachphasen stören die Schlafzyklen und beeinträchtigen so Deine Schlafqualität. Wenn Du nie oder nur einmal aufwachst, spricht man von einem guten Schlaf.
  • Dauer der Wachphase – Diese Messung bezieht sich auf die Dauer Deiner ersten Wachphase nach dem Du eingeschlafen bist. Wenn Du kürzer als 20 Minuten wach bist, sofern Du überhaupt aufwachst, dann ist das ebenfalls ein gutes Zeichen für eine hohe Schlafqualität.
  • Schlafeffizienz – Damit ist die Zeit gemeint, in der Du wirklich in Deinem Bett schläfst.

Schlafeffizienz leicht erklärt

Person A liegt insgesamt 9 Stunden im Bett, hat aber große Probleme mit dem Einschlafen und schläft daher nur insgesamt 6 Stunden. Um daraus die Schlafeffizienz zu berechnen werden beide Stundenangaben in Minuten umgewandelt und folgende Berechnung angestellt (360 Minuten : 540 Minuten) * 100 = 66,6%%

Person B hingegen befindet sich nur 7 Stunden im Bett, schläft schon nach 15 Minuten für insgesamt 6,5 Stunden ein. Daraus ergibt sich wiederum folgende Berechnung. ( 390 Minuten : 420 Minuten) * 100 = 92%

Obwohl Person B um 2 Stunden kürzer im Bett lag, bekam sie aber wesentlich mehr Schlaf, was auch zu höheren Schlafeffizienz führte.

Das wird bei einer wissenschaftliche Schlafüberwachung gemacht

Menschen, die dauerhaft unter Schlafstörungen leiden, wird der Besuch und die Untersuchung in einem Schlaflabor empfohlen, in dem eine sogenannte Polysomnographie durchgeführt wird.

Dabei werden mittels Elektroden und Sensoren die Gehirnströme (Elektroenzephalographie – EEG), Augenbewegungen (ElektroOkuloGraphie – EOG) und Muskelspannungen (Elektromyographie – EMG) aufgezeichnet. Zusätzlich werden die Atemanstrengung und Luftfluss an Mund und Nase, wie auch die Sauerstoffsättigung des Blutes gemessen.

Auf Basis dieser gesammelten Daten lassen sich auch die verschiedenen Schlafphasen ableiten.

Nach der Einschlafphase folgt der Zeitabschnitt des leichten Schlafes. Danach gleitet man üblicherweise in die beiden Tiefschlafstadien drei und vier über und zum Schluss landen wir im Traum bzw. REM-Schlaf (REM = Rapid Eye Movement – Schnelle Augenbewegungen).

Diese fünf Phasen stellen einen Schlafzyklus dar und schlafen wir ausreichend dann durchlaufen wir vier bis fünf mal den gesamten Zyklus.

Die Polysomnographie gilt aktuell als der Goldstandard in der Schlafforschung und liefert die genauesten Daten hinsichtlich Schlafdauer und Schlafqualität.

Schlafforschung gut aber nicht fehlerlos

Jedoch muss an dieser Stelle erwähnt werden, daß diese Messmethode nicht frei von Fehlern ist. Die Messwerte werden üblicherweise von sehr erfahrenen Wissenschaftlern ausgewertet. Jedoch wurde in einer Studie der Universität von Calgary herausgefunden, daß die Auswertung einer Schlafüberwachung abhängig vom zuständigen Forscher sehr unterschiedlich ausfallen kann.

In der Studie hat man insgesamt 56 zufällig ausgewählte Polysomnographien zwei sehr versierten Wissenschaftlern zur Analyse vorgelegt. Die Schlafaufzeichnungen wurden nach den AASM Richtlinien von den beiden Forschern ausgewertet.

Dabei stellte sich heraus, daß die Analyse der beiden Experten im besten Fall nur zu 80% übereinstimmten. Die häufigsten Unterschiede fanden sich bei der mBewertung der verschiedenen Schlafstadien.

Die Wissenschaft selbst sagt, daß die Poliysomnographie nicht die optimale Untersuchungsmethode ist, aber es aktuell einfach nichts Besseres gibt.

Polysomnographie wissenschaftliche Schlafüberwachung

Wie funktioniert die Schlafüberwachung bei Smartwatches

Moderne Smartwatches und Fitness Tracker sind mit Bewegungssensoren, Gyroskop, Pulssensoren und Sensoren für die Blutsauerstoffsättigung ausgestattet. Damit lassen sich viele interessante Messwerte aufzeichnen, wie beispielsweise

Anhand dieser Parameter und unter Anwendung komplizierter Algorithmen versuchen die verschiedenen Hersteller Informationen zu Schlafdauer, Schlafeffizienz, Schlafqualität und den verschiedenen Schlafstadien herauszufiltern.

So kann beispielsweise eine Smartwatch anhand der Bewegungssensoren, der Pulsmessung und der Atemfrequenz erkennen ob Du eingeschlafen bist. Wenn Du schläfst, bewegst Du Dich deutlich weniger, Deine Herzfrequenz sinkt und Du atmest regelmäßiger und ruhiger.

Wie genau misst eine Smartwatch den Schlaf

Grundsätzlich ist es anhand der oben genannten Messdaten durchaus möglich eine aussagekräftige Schlafanalyse zu erstellen. Jedoch scheint das aus technischer Sicht eine sehr schwierige Aufgabe zu sein, die aktuell noch keine Smartwatch wirklich zufriedenstellend meistert.

Das belegen zumindest zwei Studien, die in den Jahren 2020 und 2022 durchgeführt wurden.

Bei der ersten Studie, die vom Rockefeller Neuroscience Institute angestellt und im Nature of Science and Sleep Journal veröffentlich wurde, hat man folgende Smarwatches getestet

Zwei Jahre später, im August 2022, hat das Appleton Institute for Behavioral Science in Queensland, Australien eine ähnliche Studie durchgeführt, bei der diese Wearables getestet wurden.

In beiden Studien ging es darum, herauszufinden, wie genau Smartwatches

  • Einschlaf- und Aufwachzeiten
  • Gesamtschlafdauer
  • Schlafzyklen

erkennen und messen.

Die Ergebnisse beider Studien waren zum Teil ernüchternd, jedoch nicht überraschend.

Die Wissenschaftler stellten fest, daß Smartwatches Einschlaf- und Aufwachzeiten und damit auch die Gesamtschlafdauer relativ genau erkennen und aufzeichnen können. Wobei hier je nach Modell durchaus Abweichungen bis zu 30 Minuten beim Einschlafen und Aufwachen festgehalten wurden.

Was die Erkennung von Schlafstadien oder Wachphasen während der Nachtruhe angeht, gibt es laut den Forschern noch deutlich Luft nach oben, weil keine der getesteten Uhren dazu wirklich zuverlässige Ergebnisse lieferte.

Jedoch merkten die Experten aber auch an, daß sich die Messgenauigkeit der Smartwatches im Vergleich zu vorangegangenen Studien deutlich steigerte. Man geht davon aus, daß sich dieser Trend fortsetzen wird und Wearables zukünftig in der Lage sein werden, zuverlässige Schlafanalysen bereitzustellen.

Polar Pacer Pro Schlaftracking in der App
So schön die Messdaten auch aufbereitet sind, ist die Schlafanalyse bei Smartwatches noch zu ungenau

Wie sinnvoll ist damit eine Schlafanalyse bei Smartwatches?

Auf Basis der beiden oben angeführten Studien und meinen eigenen Erfahrungen sollte die Schlafüberwachung bei Smartwatches mit einer ordentlichen Portion Skepsis betrachtet werden.

Wie schon eingangs erwähnt gibt es mit Schlaflatenz, Anzahl der Wachphasen, Dauer der Wachphasen und der Schlafeffizienz vier wichtige Faktoren, die einen wirklich guten und erholsamen Schlaf ausmachen.

Jedoch liefern Smartwatches dazu vorläufig noch zu ungenaue Daten, weshalb Zuverlässigkeit und Informationsgehalt der Schlafüberwachung eher bescheiden und überschaubar ist.

Ich empfehle Dir daher, die Schlafanalyse an Deiner Smartwatch als das zu nehmen, was es ist – nämlich eine halbwegs genaue Information dazu, wie lange Du geschlafen hast.

Alle anderen Angaben zu Schlaf- und Wachzeiten, Schlafeffizienz oder Schlafqualität können meines Erachtens durchaus vernachlässigt werden.

Beschäftigst Du Dich zu sehr mit den Messdaten der Schlafüberwachung, könntest Du schon bald ein anderes Problem haben.

Wenn die Schlafüberwachung Dir den Schlaf raubt

Seitdem es Smartwatches mit Schlafüberwachung gibt, beschäftigen sich immer mehr Nutzer mit dem eigenen Schlafverhalten. Das trifft besonders auf Menschen zu, die schon seit längerer Zeit unter Schlafstörungen leiden und natürlich die Ursachen dafür herausfinden wollen.

Dabei scheint aber nun laut einer im Journal of Clinical Sleep Medizin veröffentlichen Fallstudie ein weiteres Problem zu entstehen. Die Studie ergab, dass die Patienten aufgrund der Messungen ihrer Schlaf-Tracking-Geräte so sehr mit der Verbesserung ihrer Schlafdaten beschäftigt waren, dass dies zusätzlichen Stress verursachte und damit etwaige Schlafstörungen noch verschärften.

Selbst als Ärzte einer Patientin nach einer Polysomnographie einen guten und ausreichend langen Schlaf bestätigten, war sie noch immer davon überzeugt ein Schlafproblem zu haben, da ihre Smartwatch schlechte Daten lieferte.

Im Zusammenhang mit diesem neu auftretenden Phänomen wurde der Begriff Orthosomnie – die Suche nach dem perfekten Schlaf – geprägt.

Fazit

Die Schlafmedizin würde sich freuen, wenn es tatsächlich zuverlässige Messgeräte gäbe, die einfach am Handgelenk getragen werden können, anstatt Patienten mit unzähligen Sensoren im Schlaflabor verkabeln zu müssen.

Leider können Fitness Tracker und Smartwatches aufgrund ihrer technischen Ausstattung aktuell nur die Schlafdauer messen und selbst diese Daten sollten mit Vorsicht verwendet werden.

Doch auch wenn es möglich wäre mit eine Smartwatch eine Polysomnograpie durchzuführen, wäre man als Betroffener mit Schlafstörungen kein Stück weiter. Man wüsste zwar aufgrund verschiedener Messdaten nun „offiziell“, daß man nicht ausreichend lange und gut schläft, kann aber über die Ursachen, sofern es nicht gesundheitliche Gründe sind, nur spekulieren.

Unzählige Faktoren wie Stress, mangelnde Bewegung, schlechte Ernährung, Temperatur und Luftqualität im Schlafzimmer, etwaige Geräte in nächster Umgebung und vieles mehr hat Auswirkungen auf die Schlafdauer und -qualität.

So kann zwar eine Schlafanalyse – im Labor oder mittels Smartwatch – Hinweise auf eine Schlafstörung liefern, die Ursache dafür, kann aber nur über eine Änderung des Schlafverhaltens und der Schlafumgebung herausgefunden werden.

Ich habe bereits in der Vergangenheit in meinen Testberichten zu den verschiedenen Geräten die Schlaffunktion bestenfalls nur erwähnt und werde dieses Feature auch in Zukunft nicht näher behandeln.

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